Beim Lesen haben wir die Struktur und Gliederung eines längeren Textes voll im Blick. Wenn wir eine Information nicht auf Anhieb verstehen, kehren wir blitzschnell zur kritischen Stelle zurück und lesen sie noch einmal.
Als Hörer haben wir es schwerer. Wir erhalten jede neue Information nur einmal und müssen sie auf Anhieb verstehen. Straucheln wir dabei (verstehen den Sprecher nicht oder können nicht folgen, worum es geht), verlieren wir den roten Faden und verpassen den Anschluss. Sprechertexte sollten also anders formuliert sein als Print- oder Webtexte. Wir klären heute, was wir beim Schreiben von Sprechertexten anders machen, wo die Unterschiede zwischen Hörfunk- und Videotexten liegen und wie Skripte oder Drehbücher für Sprecher aufbereitet werden sollten.
Regel Nummer 1: Einfache Syntax, kurze Sätze
Sprechsprache ist nicht Schriftsprache. Egal, um was für einen Text es sich handelt, ob um einen Videotext, eine Radioreportage oder einen Werbespot – Sprechertexte müssen einfach formuliert sein. Wenn Menschen miteinander reden, tun sie ja auch nichts anderes. Sie benutzen ganz instinktiv eher kurze Sätze als Verschachtelungen, vermeiden den Nominalstil und bilden eher Aktivsätze als Passivkonstruktionen. Warum? Einerseits aus Faulheit :-), andererseits aber auch um den Zuhörer mitzunehmen und sicherzugehen, dass sie verstanden werden.
Ein Beispiel: Einen solchen Satz würden Sie wohl kaum in einem Gespräch hören, geschweige denn selbst bilden: „Die Erbauung der im Jahr 1980 sanierten und dem heiligen Bonifatius geweihten Kirche erfolgte in den Jahren 1770 bis 1775 unter Bischof Karl von Hofen.“ Hier kommt keiner mit. Der Hörer muss jede Menge Sortierarbeit leisten, um alle genannten Fakten auf die Reihe zu bekommen. So klingt es schon besser: „Die Kirche wurde zwischen 1770 und 1775 gebaut. Karl von Hofen war damals Bischof und hat sie dem heiligen Bonifatius geweiht. Saniert wurde sie 1980.“
Um beim Schreiben von Sprechertexten der gesprochenen Sprache möglichst nahe zu kommen, empfiehlt es sich also, jeden Satz des fertigen Videotextes oder Hörfunktextes einmal kritisch auf Länge bzw. Anzahl der Kommata zu prüfen. Im Zweifelsfall kürzen wir allzu lange Sätze noch einmal.
Tipp für den Selbstversuch: Rücken Sie Verben nach vorn! Denn leider ist die Verbform (und damit der den Satz steuernde Teil) in der deutschen Sprache meist ziemlich weit vom Substantiv entfernt. „Die Kirche wurde zwischen 1770 und 1775 erbaut.“ In diesem Satz erfährt der Hörer recht spät, was die Kirche „wurde“ – nämlich „erbaut“. Ein Trick, um dem Hörer ein wenig Arbeit abzunehmen, ist eine einfache Satzumstellung, wie sie oft von Nachrichtensprechern angewendet wird: „Erbaut wurde die Kirche von 1770 bis 1775.“
Regel Nummer 2: Lineare Informationsketten anbieten
Ein einfacher Satzbau allein reicht nicht aus, um einen guten Sprechertext zu schreiben – das Gesamtpaket „Text“ muss folgerichtig aufgebaut sein. Sprich: Der Hörer sollte Schritt für Schritt mit Informationen versorgt werden, die auf dem vorher Gesagten aufbauen. Das gilt für den Satz als kleinere Einheit genauso wie für den gesamten Text. Eine Information nach der anderen. Das heißt: Einschübe, Vorwegnahmen oder plötzliche Rückbezüge auf etwas, das ganz am Anfang erwähnt wurde, verwirren den Hörer nur und lassen ihn beim Zuhören straucheln.
Bei Videotexten ist das nicht ganz so kritisch wie bei Hörfunktexten, weil hier das Auge unterstützt: Es ersetzt fehlende Bausteine in der Informationskette durch die Bildmotive. Ein Videotext darf also Mut zur Lücke beweisen und nicht Gesagtes über aussagekräftige Bilder transportieren. In einem Radio-Werbespot oder einer Nachrichtenmeldung dagegen gibt es nur die Stimme oder Soundeffekte, keine Bilder. Die Informationskette sollte sich also besonders bei Hörfunktexten immer nah am berühmten roten Faden aufhalten. Bei Videotexten dürfen Bilder dem Sprecher auch gern Arbeit abnehmen. Abschweifen ist gerade bei sehr langen oder inhaltlich anspruchsvollen Sprechtexten ungünstig.
Tipp für den Selbstversuch: Auch wenn Füllwörter einen eher schlechten Ruf genießen, weil sie vom Wesentlichen ablenken, dürfen Sie sie in Sprechertexten (in Maßen) benutzen. Sie können hilfreiche Brücken von einer Info zur nächsten bauen. Mehr zu Füllwörtern erfahren Sie auch in einem Profitipp aus unserer Textredaktion.
Regel Nummer 3: Dem Hörer Denk- und Merkarbeit abnehmen
Die wichtigsten Informationen eines Sprechertextes sollten im Skript ganz am Anfang und ganz am Ende stehen. Der Grund: Der Hörer merkt sich Erst- und Letztgenanntes am besten (= Primary- bzw. Recency-Effekt). Außerdem ist es sinnvoll, das Prinzip der Wiederholung zu nutzen. Wichtige Informationen, von denen sich unsere Kunden wünschen, dass sie auch lange nach dem Hören erinnert werden, lassen wir im Text ruhig mehrfach auftauchen. Krasses Umsetzungsbeispiel ist die Radiowerbung für das Bergsteigermüsli vom??? Na??? Genau.
Tipp für den Selbstversuch: In Marketingtexten setzt man üblicherweise stärker auf den Recency- als auf den Primary-Effekt. Denn vor allem in Beurteilungssituationen ist die letztgenannte Information eines Textes ausschlaggebend. Sie kann das Urteil über ein Produkt oder ein Angebot stark beeinflussen. Ans Ende der Informationskette gestellt, landen Werbebotschaften oder das schlagende Argument sozusagen auf der Poleposition. Ein Beispiel: Das letzte Wort im Werbespot ist meist der Markenname in Kombination mit dem Produktnutzen, vgl.: „Gala von Eduscho – meine Tasse Auszeit!“ Wenn Sie sich also selbst an einem Sprechertext versuchen möchten, sagen Sie das Wichtigste ruhig mehrmals und vor allem noch einmal am Ende.
Regel Nummer 4: Zielgruppengerechte Skripte schreiben
Egal ob Skripte für Radiospots, Videotexte für Imagefilme oder Sprechertexte für TV-Werbespots – natürlich muss vor dem Schreiben immer klar sein, an wen sich der Text richtet. Bevor wir hier in der Agentur mit dem Schreiben solcher Texte beginnen, klären wir zunächst einige Fragen mit dem Auftraggeber/unserem Kunden: Kennt der Hörer den Absender schon oder hört er das erste Mal von ihm? Im letzten Fall sollte der Name des Absenders natürlich häufiger im Sprecherskript auftauchen. Handelt es sich um einen Film für den Endkunden oder die eigenen Mitarbeiter? In einem Schulungsvideo für Fachkräfte dürfen natürlich Fachtermini verwendet werden, in einem Video für den Endkunden sind sie eher weniger angebracht.
Tipp für den Selbstversuch: Wenn Sie sich auch als Laie zutrauen, selbst Sprechertexte zu verfassen, dann beachten Sie: Egal auf welchem Informationsniveau sich die Zielgruppe befindet, im Zweifelsfall lieber ein erklärendes Wort mehr anbieten. Auch das schwächste Glied der Zielgruppe sollte das Gesagte inhaltlich verstehen.
Regel Nummer 5: Den Text laut aussprechen
Klar, es ist schön, wenn das Skript überzeugt, der Content mitreißt und die Story einfach genial ist. Aber Moment – hier hat die Sprechprobe das letzte Wort. Wir lesen Sprechertexte grundsätzlich laut, sprechen dabei möglichst frei, schauen also immer mal wieder vom Skript hoch und „erzählen“ den Inhalt einem fiktiven Gegenüber. Fühlt sich das Gesagte nicht authentisch an, gibt es Stolperfallen oder viele Gelegenheiten zum Verhaspeln, dann müssen wir den Rotstift noch einmal ansetzen.
Tipp für den Selbstversuch: Das Skript ist nicht die Bibel. Beim Text dem Sprecher immer etwas Raum für Improvisation lassen :-)
Regel Nummer 6: Betonungswünsche kennzeichnen, den Sprecher briefen
Ist das Drehbuch für das Video oder das Skript für den Hörfunkspot nach allen Regeln der Kunst verfasst worden und damit ein gelungenes Werk, sind alle glücklich. Aber – auch der Sprecher muss mit ins Boot geholt werden. Spezielle Betonungswünsche machen wir deshalb im Sprecherskript kenntlich. Eine ungünstige Betonung oder ein falsch gesetzter Hauptakzent im Satz kann den Sinn massiv verändern und einen ganz anderen Höreindruck vermitteln als geplant. Im besten Fall erhält der Sprecher nicht einfach nur das Skript in die Hand, sondern auch ein umfassendes Briefing zur gewünschten Betonung.
Tipp für den Selbstversuch: Dem Sprecher ein möglichst reduziertes Drehbuch/Skript liefern. Darin sollten nur die Regieanweisungen enthalten sein, die er tatsächlich für seine Arbeit braucht. Eine gut lesbare und große Schrift sowie Kennzeichnungen von gewünschten Betonungen und Sprechpausen sind hilfreich.
Kernpunkte zum Mitnehmen:
- Einfache Syntax, kurze Sätze, Verbalstil, Aktivsätze einsetzen
- Komplizierte Satzstellungen, Schachtelsätze und Einschübe vermeiden
- Informationen häppchenweise und nacheinander servieren (roter Faden)
- Vorwegnahmen, Rückbezüge auf bereits Gesagtes und Abschweifungen vermeiden
- Wichtigste Informationen an den Anfang und das Ende setzen
- Für die Zielgruppe schreiben
- Texte laut lesen
- Sprecher zur Betonung briefen, Sprechpausen im Skript kennzeichnen
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